Einem Besucher der Stadt das Häuschen zu zeigen, wo Schiller bei den Körners zu Gast war, die Barockfassade, hinter der die Familie von Kügelgen wohnte, oder die Villa von Erich Kästners Onkel Franz Augustin, ist selbst für den mäßig belesenen Dresdner heute kein Problem. Aber bei anderen Schriftstellern und Dichtern hapert es schon. Vielleicht weiß man gerade noch, dass Kleist einige Zeit hier gewesen ist, auch Friedrich Schlegel und Dostojewski in Dresden manches von Bedeutung geschrieben haben. Doch schon auf die Frage ¿Wo denn genau?¿ kann man nur noch mit den Schultern zucken.
Aus dieser Verlegenheit hilft einem der gerade erschienene Dichter- und Denker-Stadtplan ¿Literarisches Dresden¿, den die Jenaer Verlegerin Ute Fritsch und ihre beiden Dresdner Autoren Norbert Weiß und Jens Wonneberger jetzt in der Buchhandlung im Kunsthof vorgestellt haben. Ein historischer Stadtplan von 1922, dazu, Ausschnitte von Blasewitz / Loschwitz und Hellerau von heute, auf denen die Wohn- und Wirkungsstätten mit Nummern verzeichnet sind. 64 Persönlichkeiten haben die Autoren zusammengetragen - ¿obwohl mehr hier gewesen sind¿, gibt Ute Fritsch gleich zu. Angefangen Ende des 17. Jahrhunderts - die 1697 geborene Friederike Karoline Neuber - bis in die Gegenwart - literarischer Junior ist der 1962 geborene Büchner-Preis-Träger Durs Grünbein.
Was die Auswahl anbelangt, da konnten Weiß und Wonneberger auf einen beträchtlichen Fundus zurückgreifen. Immerhin haben die beiden vor vier Jahren ¿Dichter, Denker, Literaten aus sechs Jahrhunderten in Dresden¿ herausgegeben.
Zu jedem der zwei Frauen und 62 Männer gibt es ein paar biografische Angaben, die sich auf Dresden beziehen, die hier entstandenen Werke sind aufgeführt und die Wohnadressen. Nun können wir es endlich ganz genau wissen, losziehen übers literarische Pflaster, die Nasen im Faltplan, und schauen, wo Friedrich Gerstäcker ¿Die Regulatoren von Arkansas¿ schrieb, Arthur Schopenhauers ¿Die Welt als Wille und Vorstellung¿ entstand oder in welchem ¿Garten bei Kleinzschachwitz¿ Thomas Rosenlöcher die Beine ausstreckte.
Doch halt. Ganz so eindeutig wie beim letzteren ist es denn doch nicht. Und zwar seit dem 13. Februar 1945. Wonneberger: ¿In Dresden sind ja nicht nur Häuser zerstört worden, da verlaufen heute ganze Straßen anders.¿ Mancher Ort ist deshalb nur ungefähr bezeichnet, so genau es sich eben ermitteln ließ.
Noch eins macht diesen Wegweiser für Bücherfreunde interessant: Er ist eine Fundgrube an Lobversen und Beschimpfungen auf die Stadt. Jean Paul zum Beispiel hat weiland seine ¿demokratischen Zähne geknirscht, am meisten über das gekrümmte Schranzenvolk von Dresdnern¿. Der Mann konnte ordentlich austeilen. Damit es aber nicht gar so weh tut, gibt es auch Salbe für die Wunden, etwa von Ernst Barlach: ¿Schön ist Dresden, dieses ¿deutsche Florenz¿, das muss ihm der blasse Neid lassen!¿
Quelle: Thüringische Landeszeitung vom 06.04.2001
Jahr:
2001
Verlag:
Berlin, Verl. Jena
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